Bürgerinformationssystem der Gemeinde Malente
Vorlage - VO/20/2021/0510-01
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Sachbericht
Die Gemeinde Malente hat am 22.08.2017 zum Zwecke der Tourismusförderung im Rahmen der kommunalen Wirtschaftsförderung die Malente Tourismus- und Service GmbH gegründet. Aufgabe der MaTS ist es, die gemeindliche Entwicklung durch ein Tourismusmarketing zu fördern.
Die Aufgaben der MaTS sind in §2 des Gesellschaftsvertrages und in der Anlage 1 zum Gesellschaftsvertrag festgelegt worden.
Die meisten der übertragenen Aufgaben können von der MaTS nicht kostendeckend erbracht werden. Zur Deckung des Finanzbedarfs der MaTS gewährt die Gemeinde Malente einen Defizitausgleich, da auch die sonstigen von der MaTS erzielten Einnahmen keine ausreichende Finanzierungsgrundlage bieten.
Mit Beschluss des Finanzausschusses vom 23.09.2021 aus Vorlage - VO/20/2021/0510 werden die Ausgleichsleistungen auf 290.000 EUR für das Jahr 2022 und ab dem Jahr 2023 auf 335.000 EUR festgesetzt.
Problemstellung:
Aus EU-rechtlicher Sicht könnte es sich bei der Finanzierung der MaTS durch die Gemeinde um eine staatliche Beihilfe handeln.
Nach Art. 107 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen“.
Erfüllt die Fehlbetragszuweisung an die MaTS kumulativ alle Voraussetzungen aus Artikel 107 AEUV, muss die Gemeinde die Beihilfe grundsätzlich bei der EU-Kommission anmelden (notifizieren). Die EU-Kommission prüft dann, ob diese konkrete Beihilfe mit den EU-Regelungen vereinbar ist. Daneben hat die EU aber auch einige Ausnahmen von der Notifzierungspflicht zugelassen. In einem ersten Schritt ist also zu prüfen, ob die Voraussetzungen von Artikel 107 AEUV vorliegen und in einem zweiten Schritt dann, ob die Anwendung von Ausnahmeregelungen möglich ist.
Bisherige Lösung:
Bei der Prüfung des Artikel 107 sind unbestimmte Rechtsbegriffe auszulegen und zu prüfen. Bei der in der Vergangenheit geforderten restriktiven Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe fiel die Fehlbetragszuweisung unter die notifizierungspflichtige Beihilfe. Um die Notifizierung zu vermeiden, wurde von der Ausnahmeregelung „Betrauungsakt“ aus dem DAWI-Freistellungsbeschluss Gebrauch gemacht. Die Tourismusförderung wurde als „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse –DAWI-“ definiert.
Seit 2012, insbesondere aber seit der tiefgreifenden Modernisierung des Beihilferechts, hat die EU-Kommission weitere Ausnahmen von der Notifizierungspflicht zugelassen, aber auch den Begriff der Beihilfe systematisch ausgelegt. Neben dem EU-Recht gibt auch die neuere Rechtsprechung zahlreiche wichtige Hinweise darauf, wie im speziellen die Finanzierung einer Tourismusorganisation beihilferechtlich einzuordnen ist.
Viele Aufgaben der Tourismusförderung werden von der Kommission nicht als „Dienstleistung von allgemeinen wirtschaftlichen Interesse“ qualifiziert.
Die Generaldirektion Wettbewerb hat mitgeteilt, dass sie die allermeisten Tätigkeiten in den Bereichen Wirtschaftsförderung, touristische Wirtschaftsförderung einschließlich öffentliches Marketing nicht als „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ (DAWI) ansieht (SA.44264 (2016/MX) Schreiben GD Wettbewerb zu Beihilfen im Bereich der Wirtschaftsförderung vom 31.012019). Nach Auffassung der GD Wettbewerb wurde die jeweilige Förderung in den von ihr überprüften Fällen nicht im Einklang mit den EU-Beihilfevorschriften für Ausgleichsleistungen für DAWI gewährt.
Dies bedeutet, dass die Ausnahmeregelung „Betrauungsakt“ nicht mehr genutzt werden kann und, sofern keine andere Ausnahmeregelung greift, die Fehlbetragszuweisung an die MaTS als Beihilfe bei der EU zu notifizieren ist.
Zukünftig anzuwendende Regelungen:
a) Einstufung als Unternehmen bzw. wirtschaftliche Tätigkeit
In der neueren Rechtsprechung hat sich die EU-Kommission mit der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe im Artikel 107 AEUV beschäftigt und zur Frage Stellung genommen, wie der Begriff des „Unternehmens“ auszulegen ist.
Der Begriff des Unternehmens i. S. v. Art 107 Abs. 1 AEUV umfasst jede, eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung.
Das entscheidende Kriterium ist die wirtschaftliche Tätigkeit (Angebot einer Ware oder Dienstleitung am Markt). Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich.
Eine wirtschaftliche Tätigkeit liegt vor, wenn auch Dritte interessiert und in der Lage wären, die Dienstleistung zu erbringen.
Die Festlegung, ob eine Tätigkeit als wirtschaftlich oder nicht-wirtschaftlich bewertet werden muss, ist dabei nicht durch EU-Recht festgelegt, sondern unterliegt den Veränderungen in der EU insgesamt und dem Mitgliedstaat im Besonderen. Deshalb wurde von der Kommission auch keine erschöpfende Liste von Tätigkeiten erstellt, die grundsätzlich nie wirtschaftlicher Natur sind. Die Einstufung einer Einheit als Unternehmen erfolgt immer in Bezug auf eine bestimmte Tätigkeit. Eine Einheit, die sowohl wirtschaftliche als auch nichtwirtschaftliche Tätigkeiten ausübt, ist nur im Hinblick auf erstere als Unternehmen anzusehen.
Die Kommission legt die Gestaltungsspielräume zur Auslegung der unbestimmten Rechtsgriffe, wie z.B. Unternehmen oder wirtschaftliche Tätigkeit jetzt deutlich großzügiger aus als früher. In der neueren Rechtsprechung sowie in dem – nicht offziellen – Arbeitspaper „TOURISM FINANCING AND STATE AID“ hat die EU-Kommission die Leistungen im Bereich der Tourismusförderung in weiten Bereichen als „nicht-wirtschaftliche Tätigkeiten“ eingeordnet. „Nicht-wirtschaftliche“ Tätigkeiten erfüllen nicht den Tatbestand von Artikel 107 AEUV und unterliegen somit nicht dem Beihilferecht. Dies gilt insbesondere für die Tätigkeiten im Destinationsmarketing. Auch Bau, Renovierung und Betrieb touristischer Infrastrukturen werden ebenso als nicht-wirtschaftlich angesehen, sofern sie nicht kommerziell genutzt werden.
b) Handel zwischen den Mitgliedstaaten
Weiterhin kann es nach Ansicht der Kommission bei Maßnahmen des Tourismusmarketings auch um rein lokale Sachverhalte handeln. Somit wäre das Merkmal der Handelsbeeinträchtigung auch bei wirtschaftlichen Tätigkeiten ausgeschlossen und die Maßnahmen daher beihilfefrei. Allerdings ist zur Klärung der „lokalen Sachverhalte“ die Rechtslage nicht abschließend geklärt und eher vorsichtig auszulegen, denn ist es nicht gerade der Sinn und Zweck des Tourismusmarketings auch ausländische Touristen anzuziehen, wenn beispielsweise der Internetauftritt mehrsprachig angelegt ist?
Ergebnis:
Eine allgemeingültige Aussage für alle Maßnahmen der Tourismusförderung kann nicht getroffen werden, vielmehr sind die Einzelaufgaben der Tourismusorganisation auf beihilferechtliche Tatbestände zu prüfen und die entsprechenden Maßnahmen zu treffen.
In der Anlage 1 zur Zuwendungsvereinbarung sind die Aufgaben der MaTS unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung im Beihilferecht in wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Aufgaben eingeteilt worden.
Durch die Qualifizierung als „nicht-wirtschaftliche“ Aufgabe im Sinne des EU-Beihilferechts wird die Übernahme des Verlustausgleichs für die nicht-wirtschaftlichen Aufgaben der MaTS durch die Gemeinde Malente nicht beihilferelevant.
Grundsätzlich erforderlich in jedem Fall ist eine Trennungsrechnung im Wirtschaftsplan und in der Jahresrechnung der MaTS. Mittels der Trennungsrechnung wird seitens der MaTS die Trennung von wirtschaftlichen und den „nicht-wirtschaftlichen“ Tätigkeiten nachgewiesen. Dadurch kann die korrekte Verwendung der Zuschüsse nachgewiesen werden und eine Quersubventionierung nicht zuschussfähiger Bereiche ist ausgeschlossen.
Die Zuwendungsvereinbarung wird nicht befristet. Je nach Veränderungen der EU-Rechtsprechung bzw. Auslegung sind gegebenenfalls Anpassungen erforderlich.
Es wird darauf hingewiesen, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Beihilfen zuständige EU-Kommission bzw. die entsprechenden zuständigen Gerichte zu einem anderen Urteil gelangen.
Der Beschluss über die beigefügte Zuwendungsvereinbarung hat keine Außenwirkung. Um der MaTS die sich aus der Zuwendungsvereinbarung ergebenden Pflichten (insbesondere die Trennungsrechnung) verbindlich aufzuerlegen, ist eine gesellschaftsrechtliche Weisung erforderlich. Die Vertreterin der Gemeinde in der Gesellschaft wird durch Beschluss beauftragt, eine Gesellschaftsversammlung der MaTS einzuberufen, in welcher der Beschluss über die Zuwendungsvereinbarung als verbindliche Weisung an die Geschäftsführung beschlossen wird. Diese explizite Anweisung der Gesellschafterversammlung ist nach herrschender Meinung gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG für die Geschäftsführer der GmbH verbindlich.
Unterjähriger Ablauf:
Die Mats erhält auf Basis des vorlegten Wirtschaftsplanes unter Berücksichtigung der Trennungsrechnung Abschlagszahlungen auf die nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten. Nach Vorlage des testierten Jahresabschlusses wird anhand des geprüften Ergebnisses der Trennungsrechnung abgerechnet und ein abschließender Jahreszuwendungsbescheid erstellt.
Die maximale Obergrenze der Zuwendung ist mit Beschluss vom Finanzausschuss am 23.09.2021 für das Jahr 2022 auf 290.000 EUR und ab dem Jahr 2023 auf 335.000 EUR festgesetzt worden.
Weiterführende Informationen zur Auslegung der EU-Beihilfe:
Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (2016/C 262/01)
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/B/beihilfenkontrollpolitik-kom-mitteilung-beihilfebegriff.html
Lösung/Finanzielle Auswirkungen
1. Ergebnisplan
zukünftig jährlich | lfd. Jahr | Folgejahr 1 | Folgejahr 2 |
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| 290.000 | 335.000 |
2. Finanzplan
zukünftig jährlich | lfd. Jahr | Folgejahr 1 | Folgejahr 2 |
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| 290.000 | 335.000 |
3. Rücklagen
(ggf. Ergänzung durch Fiwi )
Es handelt sich um eine
freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe (§2 I GO) | x |
pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe (§2 II GO) |
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Aufgabe zur Erfüllung nach Weisung (§ 3 GO) |
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Gemeindeentwicklung
Dieses Projekt entspricht den Leitzielen und Vorgaben des Gemeindeentwicklungskonzeptes
Unser Malente 2030.
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| Ja |
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| Nein | Begründung: |
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1. Die als Anlage beigefügte Zuwendungsvereinbarung mit der Malenter Tourismus- und Service GmbH wird beschlossen.
2.Die Vertreterin in der Gesellschaftsversammlung der Malenter Tourismus- und Service GmbH wird angewiesen, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, in welcher die als Anlage beigefügte Zuwendungsvereinbarung als Weisung an die Geschäftsführung zu beschließen ist.
- Anlagen -
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Anlagen: | |||||
Nr. | Name | ![]() |
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1 | Zuwendungsvereinbarung MaTS ab 2022_ (199 KB) | |||
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2 | Anlage 1 zur Zuwendungsvereinbarung (294 KB) | |||
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3 | Information 1 - SA.44264 (2016 MX) GD Wettbewerb (393 KB) | |||
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4 | Information 2 - comfort-letter-der-kom-zur-touristischen-infrastrukturfc3b6rderung (67 KB) |
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